Wohntextilien

Der Rippenstoff rückt wieder ins Rampenlicht

Vom Boho-Klassiker der 70er-Jahre zum modernen Wohnstatement – Cord erlebt ein stilvolles Comeback.

von Silvia Schaub

Journalistin

Der markante Stoff mit den feinen Rippen war lange das Sinnbild der 70er-Jahre. Ältere Semester erinnern sich bestimmt an Hosen und Jacketts aus Cord, die damals als Symbol der Gegenkultur und des Bohème-Lifestyles besondere Popularität genossen. Ganz verschwunden war der Stoff zwar nie, doch er rückte über die Jahre etwas in den Hintergrund. Nun feiert Cord ein fulminantes Comeback – und das mit Stil.

Nicht nur in der Modewelt taucht der charakteristische Stoff mit der Rippenstruktur wieder auf. Das Schweizer Label Akris etwa hebt den Stoff auf ein neues Level. Die Hosen des St. Galler Modeunternehmens sind echte Hingucker und sehen definitiv nicht altbacken oder verstaubt aus. Erstaunlich, wie modern und cool Cord plötzlich wirken kann.

Cord im Interior-Bereich

So cool, dass er auch im Interior-Bereich eine gute Figur macht. Und so erstaunt es nicht, dass der fein bis breit gerippte Stoff zunehmend auch Sofas, Stühle, Kissen, Vorhänge und diverse Wohnaccessoires schmückt. War auch Zeit, den vielen glatten und minimalistischen Einrichtungen etwas Haptisches entgegenzusetzen. Das dürfte nicht nur Vintage-Fans begeistern, denn die samtige Oberfläche strahlt Wärme und Behaglichkeit aus. Zudem ist der Stoff äusserst robust – gerade wer kleine Kinder oder Tiere im Haushalt hat, wird dies zu schätzen wissen.

Dass Cord gerade jetzt wieder im Trend liegt, hat viel mit unserer Sehnsucht nach Geborgenheit und Authentizität zu tun. In einer zunehmend glatten, digitalen Welt wächst der Wunsch nach Materialien mit Geschichte, Struktur und Charakter. Cord erfüllt genau dieses Bedürfnis – er steht für Wärme, Echtheit und eine taktile Sinnlichkeit, etwas, das vielen modernen Interieurs lange gefehlt hat.

Seinen Ursprung hat der weiche Webstoff im 18. Jahrhundert im englischen Manchester, wo er zunächst für Arbeiterkleidung verwendet wurde. Durch Industriespionage kam die Herstellung nach Amiens im Norden Frankreichs, das für mehr als zwei Jahrhunderte zur Hochburg der Cord-Produktion wurde.

Der Stoff besteht meist aus Baumwolle oder Polyester, oft auch aus einer Mischung aus natürlichen und künstlichen Fasern. Erkennungsmerkmal sind die typischen Samtrippen, die von schmal bis breit variieren können. Es gibt insgesamt vier verschiedene Cord-Arten, die nach der Anzahl der Rippen unterschieden werden. So spricht man von Kabelcord, wenn auf 10 Zentimeter Stoff maximal 10 Rippen gewebt werden. Beim Breitcord, dem beliebtesten Cordstoff, sind es 10 bis 25 Rippen. Manchester hat 25 bis 40 Rippen und der Feincord, auch Babycord genannt, über 40 Rippen.

Die Tagesliege von Designer Per Weiss für das Label Innovation kommt zwar schlicht und minimalistisch, aber dennoch raffiniert daher. Der hochwertige Cordstoff mit der samtigen Oberfläche verleiht dem Sofa eine besondere Haptik und eine warme, einladende Ausstrahlung. Auch Designer Sebastian Herkner hat mit dem Daybed «Pallet» ein formschönes, gradliniges Modell für Pulpo entworfen, das als Sofa, schlichte Sitzbank oder Gästebett eingesetzt werden kann.

Viele setzen auf Cord

In seiner Form erinnert der Stuhlsessel «Armand» von Kati Meyer-Brühl an eine moderne Interpretation des Jugendstils. «Armand» kann dank seines schlanken Designs als Stuhl am Tisch oder auch im Wohnzimmer als Sessel zum Einsatz kommen.

«Soufflot» von Ligne Roset wurde speziell für das InterContinental-Hotel kreiert, das im magistralen, 32 Meter hohen Soufflot-Dom des ehemaligen Krankenhauses Hôtel-Dieu in Lyon 2019 eröffnet wurde. Designer Jean-Philippe Nuel hatte dazu einen Sessel und einen Hocker entworfen, der diesen besonderen Formen und Proportionen nachempfunden ist. Schaut man genau hin, erinnert die Sitzfläche tatsächlich an einen auf dem Kopf stehenden Dom.

Auch Vitra setzt auf Cord: Vor zwei Jahren erschien eine Special Edition des legendären Lounge Chairs von Charles und Ray Eames aus dem Jahr 1956 in dunkelgrünem Velours-Cord – längst vergriffen, aber ein stilistisches Statement. Heute kann innerhalb der Vitra Home Selection etwa der Cordstoff «Phlox» von Designer Raf Simons für Kvadrat für weitere Vitra-Produkte eingesetzt werden.

Ein weiteres Highlight ist das The Kaye Sofa des US-Labels Rove Concepts, für das Musiker John Legend als kreativer Partner gewonnen werden konnte. Die Kollektion mit Cordstoffen verleiht dem Material auch international neuen Glanz.

Möbel und mehr

Doch Cord wird heute nicht nur für Sofas oder Sessel verwendet. Einen besonderen Retro-Charme verströmt das Multifunktionsmöbel «Tilda» von Schönbuch. Es vereint Funktion mit Dekoration und bietet neben Platz für Mäntel und Jacken auch eine bequeme Sitzgelegenheit.

Farblich funktioniert Cord besonders gut in neutralen Erdtönen und gedeckten Nuancen, aber auch als Akzent in kräftigen Farben, die durchaus von Senfgelb über Petrol bis zu Bordeaux reichen dürfen.

Möbel mit Cordstoff überzeugen noch mit einem weiteren Aspekt: Sie sind sehr pflegeleicht. Staub und Schmutz lassen sich sanft mit einer weichen Bürstendüse absaugen – am besten stets in Richtung der Rippenstruktur arbeiten. Flecken können mit einem milden Reinigungsmittel gut entfernt werden, allerdings sollte man den Stoff nur sanft abtupfen und nicht durchtränken. Und Kissenbezüge aus Cord kann man problemlos in der Waschmaschine waschen.

Wer sich nicht gleich für ein Sofa aus Cord entscheiden möchte, kann zunächst auf Deko- oder Sofakissen mit dem Rippenstoff setzen. Kissen oder Plaids gibt es in verschiedenen Grössen, unifarben oder gemustert (z.B. bei Livique oder Micasa). Kave Home hat mit der Kollektion Bianella auch Tischlampen oder Deckenleuchten mit Cord im Sortiment. Als Einstieg eignet sich auch ein kleineres Möbelstück wie etwa der Sitzsack Beanbag von Vetsak.

Wer nun denkt, dass Möbel aus Cordstoff doch etwas schwierig zu kombinieren seien, wird erstaunt feststellen, wie gut er mit modernen Einrichtungsstilen harmoniert. Egal ob kühler Industrial-Chic, sanfter Scandi-Look oder glamouröser Glam-Style – der Cord wird zum lässigen Gegenspieler. Natürlich sollte man mit Bedacht vorgehen und nicht gleich den ganzen Raum damit einrichten. Gerade zu glänzenden Materialien wie Kupfer, Gold oder Messing passt er überraschend gut. Aber auch zu kühlen und glatten Materialien wie Marmor oder Beton bringt der Cord eine schöne Ergänzung. Und man stellt fest: Cord ist kein Trend. Cord ist ein Lebensgefühl – weich, ehrlich, zeitlos.