Lichtverschmutzung

Licht aus für die Natur

Künstliches Licht hat es uns Menschen ermöglicht, auch nach Einbruch der Dunkelheit aktiv zu sein. Für Vögel und viele andere Lebewesen sowie für uns selbst kann diese nicht natürliche Helligkeit aber eine grosse Störung darstellen.

von Livio Rey

MSc Biologie, Mitarbeiter Öffentlichkeitsarbeit, Schweizerische Vogelwarte, Sempach

Licht kommt – abgesehen von wenigen Ausnahmen – nur von Himmelskörpern wie Sonne, Mond und Sternen. So war es schon, als das Leben vor Hunderten Millionen Jahren entstanden ist. Lebewesen hatten also sehr lange Zeit, die innere Uhr und tages- sowie jahreszeitliche Rhythmen an den regelmässigen Wechsel von Hell und Dunkel anzupassen. So werden bei Vögeln ab einem bestimmten Verhältnis von Tag und Nacht Hormone aktiviert, die für so wichtige Lebensbereiche wie den Gesang oder die Zugaktivität zuständig sind.

Die Schattenseiten des Lichts

Dieser über Jahrmillionen eingespielte Rhythmus ist in wenigen Jahrzehnten aus dem Takt gekommen. Im Zuge der Modernisierung hat sich künstliches Licht innert kürzester Zeit auf der ganzen Welt ausgebreitet und die Nacht verdrängt. Der Ausdruck «Ein Unterschied wie Tag und Nacht» trifft an vielen Orten gar nicht mehr zu. Künstliches Licht, das Lebensprozesse und Aktivitäten stört, wird als Lichtverschmutzung bezeichnet. Die Auswirkungen von Lichtverschmutzung auf Vögel und andere Tiere sind vielfältig. Tages- und jahreszeitliche Rhythmen geraten durcheinander und verschieben sich, und seit Jahrtausenden eingependelte Wechselwirkungen zwischen Beute und Beutegreifern werden gestört.

Studien haben gezeigt, dass künstliches Licht den Hormonhaushalt und viele weitere Körperfunktionen von Vögeln stört. Vögel sind bei Lichtverschmutzung deutlich unruhiger, singen in der Nacht und sind früher am Morgen aktiv. Ausserdem beginnen viele Vögel ihre Brut früher, wenn sie künstlichem Licht ausgesetzt sind. Bei Kohlmeisen konnte eine Studie sogar zeigen, dass in der Stadt weniger Junge schlüpfen als im Wald. Die Erklärung: Brütende Kohlmeisen in der Stadt waren nachts umso unruhiger, je heller ihre Neststandorte erleuchtet waren, und wärmten deshalb die Eier weniger konstant. Diese Resultate lassen aufhorchen. Selbst häufige und gut an den Menschen angepasste Vögel wie die Kohlmeise können durch künstliches Nachtlicht gestört werden.

Bei Zugvögeln kommt ein erhebliches Kollisionsrisiko hinzu, weil sie sich nicht mehr so gut an den Sternen orientieren können. Besonders schlimm ist es bei Nebel oder dichten Wolken, wenn Zugvögel von den Lichtern einer Stadt angezogen werden. Dann fliegen sie stundenlang ziel- und orientierungslos umher, im Extremfall bis zur Erschöpfung, oder sie kollidieren mit hell beleuchteten Gebäuden oder Scheinwerfern.

Es gibt einfache Lösungen

Die meisten Umweltverschmutzungen können nicht oder nur mit grossem Aufwand behoben werden. Plastik wird gar nie richtig abgebaut, er zerfällt einfach in immer kleinere Teile. Atommüll wiederum benötigt mindestens 200 000 Jahre, bis die radioaktive Strahlung wieder natürliche Werte erreicht. Im Gegensatz dazu ist die Verschmutzung durch Licht sehr einfach zu beheben: Sobald man den Lichtschalter umlegt und kein Strom mehr fliesst, erzeugen wir kein Licht mehr. In der Folge verschwindet umgehend auch die Verschmutzung.

Bei Licht besteht die Problematik darin, eine gute Interessenabwägung zu finden. Wo soll die natürliche Dunkelheit beibehalten und wo soll Licht aus Sicherheitsgründen oder für die private oder kommerzielle Nutzung eingesetzt werden? In jedem Fall sollte der Einsatz von Licht dort vermieden werden, wo es nicht gebraucht wird.

Ist Licht notwendig, gibt es verschiedene Möglichkeiten, seine negativen Auswirkungen zu vermindern. Dazu gehören etwa die Reduktion der Lichtintensität und Bewegungsmelder, die Licht nur bei Bedarf einschalten. Besonders das Licht, das in den Nachthimmel oder schon über die Horizontale abstrahlt, sorgt für viel Verschmutzung. Zudem verschwenden wir so Energie und verfehlen die gewünschte Wirkung, weil das Licht nicht dorthin fokussiert wird, wo es benötigt wird. Darum sollte man abgeschirmte Leuchten mit geschlossenem Gehäuse verwenden. Lichtquellen sollten ausserdem möglichst wenig kurzwellige Lichtanteile aufweisen, um nicht Insekten anzulocken.

Handeln dringend nötig

Wer erfreut sich nicht am nächtlichen Firmament, wenn uns die Milchstrasse und abertausende Sterne eine Ahnung von Unendlichkeit geben? Und auch für unseren Schlaf und die Natur wäre mehr Dunkelheit ein Segen. Ungeachtet der problematischen Nebenwirkungen wird der Nachthimmel jährlich um fast zehn Prozent heller. Und das, obwohl das Problem mit einer einfachen Schalterumlegung gelöst wäre. Da sollte uns doch möglichst bald ein Licht aufgehen, dass es so nicht weitergehen kann.

Studien haben gezeigt, dass künstliches Licht den Hormonhaushalt und viele weitere Körperfunktionen von Vögeln stört.

Informationen zu Lichtverschmutzung

Weitere Informationen zu Lichtverschmutzung und wie sie vermindert werden kann, finden Sie im Ratgeber (www.vogelwarte.ch/de/ratgeber/stoerung-durch-licht) und in der Broschüre «Vogelfreundliches Bauen mit Glas und Licht», die im Ratgeber als PDF heruntergeladen werden kann.