Es ist kurz nach sechs, als das erste Tageslicht durch das Panoramafenster der Kabine fällt. Der Pazifik zeigt sich für einmal glatt wie ein seidener Teppich. Das Expeditionsschiff «Le Jacques Cartier» der französischen Reederei Ponant gleitet durch die Morgendämmerung. In der Ferne taucht die Silhouette von Moorea auf – gezackt, grün, wie von Zauberhand erschaffen. Es riecht nach Salz, Frangipani und etwas, das man schwer beschreiben kann – vielleicht die Ahnung von Abenteuer. Eine Stimme knistert über die Bordlautsprecher: Der Kapitän meldet sich, kündigt die Ankunft in Moorea an. Das 134 Quadratkilometer kleine Eiland gehört zu den Gesellschaftsinseln, bestehend aus Inseln mit so wohlklingenden Namen wie Tahiti, Raiatea oder Bora Bora, und diese wiederum gehören zu Französisch-Polynesien und dem französischen Überseeterritorium.
Moorea ist mehr als ein Ort. Es ist ein Zustand, ein Versprechen in Türkis. Das Wasser ist so klar, dass selbst in drei Metern Tiefe die Schatten der Korallen auf dem Meeresboden tanzen. Links schimmert das Riff, rechts das tiefe Blau der offenen Lagune. Am Steg wartet ein Guide mit Blumenketten. Seine Stimme ist weich, die Worte rollen wie Wellen: «Willkommen im Paradies.» Auf der Fahrt durch das Inselinnere wirken selbst die Bananenstauden wie gemalt.
Insel der Erquickung
Die «Le Jacques Cartier» steuert die Koralleninsel Makatea im Nordwesten des Tuamotu-Archipels an, dessen Inseln mit ihren Palmen und Stränden teilweise an die Malediven erinnern und exotisch klingende Namen wie Héréhérétué oder Puka-Puka haben. Makatea ist eine fast gänzlich unbekannte Insel und wurde 1722 vom Niederländer Jakob Roggeveen entdeckt, der sie «Eiland van Verkwikking» nannte: Insel der Erquickung, weil er dort frische Kräuter fand, die seiner an Skorbut erkrankten Mannschaft halfen. Makatea ist nur gut sieben Kilometer lang und sieben Kilometer breit und hat rund 60 Einwohner. Von 1917 bis 1964 war das Eiland einer der ergiebigsten Phosphatinseln des Pazifiks. Daran erinnert die Geisterstadt Vaitepaua mit ihrem einstigen Hafen Temao. Und Makatea gehört zur Gemeinde Rangiroa, zu der drei weitere Atolle zählen. Rangiroa ist das grösste Atoll der Tuamotus und von Französisch-Polynesien und umfasst rund 240 kleine Inseln bei 3800 Einwohnern. Es befindet sich gut 350 Kilometer nordöstlich von Tahiti, das per Direktflug in einer Stunde zu erreichen ist. Das Atoll wirkt wie ein verlorener Ring aus Korallen im unendlichen Blau. Kein Berg erhebt sich, keine Strasse führt weit. Das praktischste Transportmittel zu Land ist das Velo.
Ein Fischer repariert sein Netz unter einer Hütte aus Pandanusblättern. Im Wasser vor der Meerenge Tiputa-Pass treiben Dutzende Fische mit der Strömung, in der Nähe tanzen Delfine. Eine Schnorcheltour offenbart eine Welt wie aus Glas – glasklare Sicht, bunte Fischschwärme, dazwischen ein einzelner Schwarzspitzen-Riffhai, der lautlos vorbeizieht. Rangiroa wird wegen der Klarheit und Weite der Blauen Lagune auch Ra"iroa («unendlicher Himmel») genannt. Die rosarote Sandbank (Les Sables Roses) und die Riffinsel Île aux Récifs sind weitere Attraktionen – neben Korallenriffen und unzähligen Traumstränden.
Abseits des Südsee-Klischees
An Bord beim Mittagessen schweigt die Runde länger als sonst. Vielleicht, weil Rangiroa einem langsameren Rhythmus folgt: «Rangi» entschleunigt und ist der ideale Ort für gestresste Grossstadtmenschen.
Doch das lässt sich auch über die fast ebenso unberührten vierzehn Marquesasinseln sagen, die zu den entlegensten Inselgruppen der Welt zählen. Mitten im Pazifik, rund 1500 Kilometer nordöstlich von Tahiti, gibt es hier statt überlaufener Strände und Resorts wilde Natur und uralte Kultur – abseits des Südsee-Klischees. Auf der grössten Insel Nuku Hiva begeistern die Taiohae-Bucht und der Vaipo-Wasserfall, auf Ua Pou Basaltsäulen, die wie Kathedralen aus der üppigen Vegetation ragen und jedes Fotografenherz höherschlagen lassen.
Am Horizont türmen sich in der letzten Wildnis der Südsee grünschwarze Felsmassive aus dem Pazifik – schroff, monumental, einschüchternd. Berge ragen bis zu 1200 Meter hoch aus dem Meer, teils fast senkrecht und fotogen. Hiva Oa wirkt wie ein vergessenes Fragment der Erde. Kein Korallenriff schützt die Küste. Die Wellen branden direkt gegen steile Klippen, über denen Nebelschwaden hängen. Bei der Einfahrt duftet die Luft nach feuchter Erde, Brotfrucht und Holzrauch.
Hiva Oa ist die Insel Paul Gauguins, der hier seine letzten Jahre verbrachte und mit kräftigen Farben Szenen der Südsee malte. Sein Grab liegt oben auf dem Calvaire-Hügel, neben dem des Sängers Jacques Brel – mit Blick aufs Meer. Kein Souvenirladen, kein Touristenkitsch, nur Wind, Regenwälder, von Seevögeln umschwärmte Felsküsten und Geschichte. In einem Seitental arbeitet ein lokaler Steinmetz an der Replik eines Tiki – der mythischen Ahnengestalt in Form einer Steinfigur. «Sie wachen über uns. Unsere Geschichten leben in den Steinen», sagt er und fährt mit der Hand über das Moos auf einem alten Steinaltar. Seine Arme sind tätowiert mit Mustern, die von Kriegern und Ahnengöttern erzählen.
Die Marquesas mit ihrer grössten Insel Nuku Hiva sind nicht leicht zugänglich – weder geografisch noch emotional. Aber wer das Privileg hat, sie mit der «Le Jacques Cartier» zu entdecken, spürt etwas, das anderswo verloren gegangen ist: eine Nähe zum Ursprung, zur Erde, zu einer Zeit, als die Menschen noch mit den Göttern sprachen. Wer hierherkommt, verlässt nicht nur die Welt, wie wir sie kennen. Er kehrt mit einem neuen Blick zurück.
Das Traumschiff von Ponant
«Le Jacques Cartier», benannt nach dem französischen Entdecker aus der Bretagne, ist das sechste Schiff der Serie der Ponant Explorers. Es fasst auf einer Länge von 130 Metern maximal 184 Gäste in 92 Kabinen und Suiten mit grossen Fenstern, Balkonen oder Terrassen, 2 Restaurants sowie je ein Theater, einen Fitnessraum und einen Spa, bei 118 Crew-Mitgliedern. Der 2020 fertiggestellte Luxuskreuzer, Kenner bezeichnen ihn als eigentliches Traumschiff, besticht durch seine schnittigen Linien, die umweltfreundliche Technologie mit den neuesten Motoren und schöne Kabinen.
Gut zu wissen: Unterhalb der Wasserlinie bietet die Lounge «Blue Eye» ein spezielles Erlebnis: Neben zwei grossen Bullaugen werden auf grossen Bildschirmen Videos von drei Unterwasserkameras gezeigt. Eine fortschrittliche Technik überträgt mit Unterwassermikrofonen die Geräusche des Meeres. An Bord der «Le Jacques Cartier» gibt es zudem zehn Zodiacs (motorisierte Gummiboote), welche die Gäste vor allem in tropischen Gefilden auf Landausflüge mitnehmen. Im Preis inklusive ist, neben der Vollpension, das Internet und eine grosse Auswahl an Getränken inklusive Champagner – zu den Mahlzeiten, an der Bar und in der Minibar der Kabine, ausserdem ein Landausflug pro Tag und Person.







