Meier meint

Schwierige, aber wertvolle Demokratie

von Markus Meier

Direktor HEV Schweiz

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Was wird stetig auf ihr herumgetrampelt, auf der direkten Demokratie im Schweizer Land. Immer weniger an ihr scheint recht oder richtig zu sein. Einmal sind es zu viele Alte, welche die Jungen majorisieren würden. Ein andermal sollen die vielen Leute auf dem Land mit ihrem Stimmenmehrgewicht die Städter erdrücken. Oder man spielt die Karte eines übermässigen Einflusses von Vermögenden gegenüber weniger «Habligen». Ganz interessant wird es dann, wenn ich lese, dass bei der Teilnahme am politischen Prozess Schweizer mehr Gewicht haben als Ausländerinnen und Ausländer (von mir aus wäre ich wahrscheinlich nie auf diese Idee gekommen!). Betitelt wird all dies mit «Fehlern im System».

Diskussionen dieser Art sind nicht neu. So wurde denn auch schon ein Stimmrecht ab Geburt genauso diskutiert, wie auch regelmässig Rufe nach einer Senkung des Stimmrechtsalters oder nach einer stärkeren Gewichtung von «Jungstimmen» erschallen. Und vor fast auf den Tag genau 27 Jahren hat der belgische Philosoph und Ökonom Philippe Van Parijs dafür plädiert, die Stimmen von älteren Personen weniger stark zu gewichten. Oder noch radikaler: das Wahlrecht solle ab einem bestimmten Alter ganz erlöschen. Der letztgenannte Ansatz wurde jüngst von einer Assistenzprofessorin der Uni Lausanne wieder aufgenommen. Man könne so die demografisch bedingte Dominanz der Älteren gegenüber den Jüngeren ausgleichen. Umso erstaunter nimmt man dann zur Kenntnis, dass das Medianalter der Abstimmenden bei rund 60 Jahren liegt. Es stimmen also gleich viele Personen ab, die jünger als 60 Jahre sind, wie dies Personen machen, die über 60 Jahre alt sind. Allerdings sei die Stimmbeteiligung der über 60-Jährigen über alles gesehen mehr als doppelt so hoch wie jene der 18- bis 20-Jährigen. Anstatt den Älteren Vorhaltungen zu machen, wäre wohl vielmehr eine Motivierung der Jüngeren angezeigt.

Anderer aktueller Streitpunkt bei Abstimmungen ist das einfache versus das doppelte Mehr, nach dem Mehr der Stimmenden und gleichzeitig auch dem Mehr der Kantone (Ständemehr). Das doppelte Mehr ist nötig bei Verfassungsänderungen und beim Beitritt zu supranationalen Gemeinschaften. Brandaktuell ist hier die Frage, weshalb auf der einen Seite Abstimmungen zu Kuhhörnern und zur Abschaffung von Steuern auf nie erzieltes Einkommen das Ständemehr erforderten – andererseits aber bei der für die ganze Bevölkerung zentralen Europafrage das einfache Mehr genügen soll.

Unsere direkte Demokratie ist ein Privileg, um das uns zahllose Länder beneiden. Das sollten wir positiv nutzen – und nicht ständig daran «herumdoktern» wollen.