Aus dem Bundeshaus

Überraschende Zahlen und Fakten zur Wohnraumentwicklung

von Marco Chiesa

Ständerat, Vorstandsmitglied des HEV Schweiz

Es lohnt sich, die Zahlen und Fakten zur Wohnraumentwicklung in der Schweiz genauer zu betrachten. Das daraus entstehende Bild widerspricht in vielem dem, was die öffentliche Debatte vorgibt:

Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der Wohnungen in der Schweiz um über einen Drittel gestiegen. Die Bautätigkeit hat also klar zugenommen. Heute werden rund 44 % mehr neue Wohnungen gebaut als damals. Trotzdem bleibt der Druck auf den Wohnungsmarkt hoch. Über 80 % der zusätzlich benötigten Wohnfläche der letzten 25 Jahre sind allein auf das Bevölkerungswachstum zurückzuführen. Mit anderen Worten: Rund vier Fünftel der Bautätigkeit dienen lediglich dazu, die Wohnungsknappheit nicht weiter zu verschärfen.

Zum Vergleich: Das Bevölkerungswachstum der Schweiz ist im internationalen Kontext aussergewöhnlich hoch. Zwischen 2000 und 2023 nahm die Bevölkerung um fast 24 % zu (+1,7 Millionen Menschen). Die Bevölkerung in der Schweiz wuchs netto um 635 351 Personen mehr als diejenige in Deutschland, das Bevölkerungswachstum war also rund 18 Mal so stark. Auch gegenüber Österreich (+14 %), Frankreich (+12,1 %) oder Italien (+3,6 %) ist die Schweiz klare Spitzenreiterin. Im Durchschnitt wächst die Schweizer Bevölkerung netto – also unter Berücksichtigung der Wegzüge – jedes Jahr um die Grösse einer Stadt wie Luzern oder St. Gallen. Entsprechend viele zusätzliche Wohnungen müssen gebaut werden.

Die Wohnfläche pro Person ist in grösseren Städten wie Zürich, Basel oder Genf bereits rückläufig. Neu gebaute Wohnungen sind im Schnitt rund ein Viertel kleiner als Anfang der 2000er-Jahre. Wir bauen also mehr, dichter und kompakter – und dennoch bleibt der Wohnraum knapp. Das zeigt: Das Problem liegt nicht im Verhalten der Haushalte, sondern in der demografischen Dynamik und in den politischen Rahmenbedingungen.

Gleichzeitig schreitet die Bodenversiegelung weiter voran. Jede Stunde verschwinden in der Schweiz über 2000 m² unversiegelten Bodens. Grünräume gehen verloren, ohne dass sich die Wohnungsknappheit spürbar lindert. Wir bauen zwar kleiner und dichter, aber trotzdem verschwindet immer mehr Land. Das ist kein Zeichen mangelnder Effizienz, sondern fehlender Steuerung: Die Zuwanderung frisst alle Fortschritte auf, solange die Bautätigkeit zur Verdichtung in den Städten nicht massiv zunimmt.

Entweder wir akzeptieren ein weiterhin starkes Bevölkerungswachstum mit steigenden Miet- und Bodenpreisen sowie dem fortschreitenden Verlust von Kulturland oder wir bringen Raumplanung, Bauvorschriften und Zuwanderung in Einklang. Eine Politik, die starke Zuwanderung, günstige Mieten und unversehrtes Kulturland verspricht und gleichzeitig die Bautätigkeit zur effizienten Verdichtung in den Städten durch überbordende Schutzvorgaben und ausufernde Baubewilligungsverfahren lähmt, belügt sich selbst und die Bevölkerung.

Es braucht endlich eine ehrliche Debatte über die Ursachen der Wohnungsknappheit sowie der steigenden Miet- und Immobilienpreise.

«Wir bauen zwar kleiner und dichter, aber trotzdem verschwindet immer mehr Land.»