So zurückhaltend und neutral weisse Wände auch sein mögen, manchmal hat man einfach genug davon. Dann lohnt sich der Griff zum Farbtopf. Aber bitte gleich so richtig! Eine einzige Wand farbig zu gestalten, mag ein guter Anfang sein. Mit Colour Drenching jedoch hüllt man gleich den ganzen Raum komplett in eine Farbe. Colour Drenching bedeutet so viel wie «in Farbe tauchen» (to drench in colour) und ist ein Trend, der von England her so allmählich auf den Kontinent überschwappt. Ganz neu ist er nicht, erobert aber unter diesem einprägsamen Titel nun die Medienwelt im Sturm. Federführend sind die beiden britischen Farbenhersteller Little Greene und Farrow & Ball, die auch die entsprechenden Farbwelten anbieten.
Ungünstige Raumverhältnisse austricksen
Beim Colour Drenching werden nicht nur die Wände in der gleichen Farbe gestrichen, sondern auch die Decke, Fussleisten, Fensterrahmen, Heizkörper und Türen. Wer noch konsequenter ans Werk geht, kann auch von Einbauschränken, Kommoden bis hin zur Vorhangstange alles im gleichen Farbton gestalten. Zugegeben, es braucht etwas Mut, so aufs Ganze zu gehen. Aber mit dieser Methode wertet man grosse wie kleine Räume gleichermassen auf – und kann zudem noch ungünstige Raumverhältnisse austricksen. Ein schmales Zimmer wirkt harmonischer, ein grosser Raum gemütlicher. Der Effekt ist erstaunlich. Am besten beginnt man mit einem kleinen Raum, zum Beispiel dem Eingangsbereich oder der Gästetoilette. Sie eignen sich besser für ein Herantasten an diesen Trend, als wenn man sich gleich das Wohnzimmer vornimmt. Das Gute an Colour Drenching: Egal, ob man in einer Altbauwohnung oder einem modernen Haus wohnt, diese Farbgestaltung lässt sich bei jedem Architekturstil umsetzen.
Patrick O’Donnell, Markenbotschafter von Farrow & Ball, spricht bei diesem umhüllenden Farbkonzept zwar mehr von einer Technik als von einem Trend. Das Attraktive an diesem Ansatz sei der nahtlose Look, der dabei entstehe, sagt er im Interview. «Es ist eine nützliche Technik, die man in vielen Räumen anwenden kann, in denen man nicht zu viele Kontraste haben möchte. Gerade in kleineren Räumen ist sie aus diesem Grund besonders nützlich, da das Auge nicht so sehr auf Bereiche gelenkt wird, in denen die Wand aufhört und die Decke beginnt. Oder auch, wenn man viele Schränke in einem Raum hat, was dazu führen kann, dass sich der Raum klein und abgeschlossen anfühlt.» Statt architektonische Details mit kontrastierenden Farben zu betonen, werden diese beim Colour Drenching nur noch durch die Lichtführung hervorgehoben. Ein Raum wirkt stimmiger und durchdachter, wenn auch Türen, Decken und weitere Elemente in die Gestaltung einbezogen werden.
Beruhigend, anregend oder dramatisch
Je nachdem, ob man mit Pastelltönen, dunklen Farben oder gar leuchtenden Nuancen ans Werk geht, ist das Resultat beruhigend, anregend oder dramatisch – aber definitiv nicht langweilig. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass die Kombination von matten und glänzenden Oberflächen aus unterschiedlichen Materialien zu einem lebendigen Spiel führt. Allein schon, wenn man sich auf die Wände samt Fussleisten beschränkt, wirkt ein Zimmer gleich ruhiger und aufgeräumter.
Wählt man eher hellere Farben, wie ein Lindengrün, Sand oder Taupe, gewinnt der Raum optisch an Grösse und sorgt für Frische und Leichtigkeit, wirkt aber auch zeitloser und harmonischer. Wagt man sich an dunklere und matte Farbtöne, wie etwa ein intensives Navyblau oder Salbeigrün, verleiht dies einem Raum noch mehr Tiefe und eine ruhigere und intimere Atmosphäre. Der Raum wirkt, als sei er in eine faszinierend tiefe Farbe getaucht worden.
Double Drenching
Noch etwas mehr Spiel ins Interieur bringt die Technik «Double Drenching». Hierzu werden alle verfügbaren Oberflächen in zwei verwandten Farben gestrichen. «Double Drenching funktioniert am besten, wenn Farben kombiniert werden, die sich eher im Farbton als in der Intensität unterscheiden», erklärt Ruth Mottershead, Creative Director bei Little Greene.
«Selbst wenn man sich in weissen oder hellen neutralen Farbtönen bewegt und damit Wände, Decke und Holzvertäfelungen bemalt, sieht das sehr elegant und zurückhaltend aus und schafft ein perfekt beruhigendes Interieur», betont Patrick O’Donnell. Denn durch die Wahl von verschiedenen Farbprodukten kann ein subtiles Spiel mit den unterschiedlichen Lichtreaktionen auf die Glanzgrade erreicht werden. «Wie zum Beispiel mit Dead Flat mit wenig Glanz an den Wänden, kombiniert mit Estate Eggshell mit 20 Prozent Glanz auf den Holzverkleidungen oder Metall.»
Apropos Dead Flat: Diese Produktelinie hat das Farbunternehmen Farrow & Ball erst kürzlich entwickelt und auf den Markt gebracht. Es besticht durch ein haltbares und kreidig-mattes Finish, das auf verschiedenen Oberflächen wie Holz, Wände oder Metall verwendet werden kann und sich perfekt für Colour Drenching eignet. Durch die Mattheit der Dead Flat-Farben kann der Effekt sogar noch gesteigert werden, weil ihr minimaler Glanzgrad gerade bei dunklen Tönen noch mehr Sattheit und Tiefe verleiht. Farben wie Blue Maize, Calke Green oder Charlotte’s Lock machen grosse Lust auf das alles umhüllende Farbkonzept.
Da bleibt nun die Frage: Soll man das Colour Drenching vorzugsweise von einem Fachmann ausführen lassen oder selbst zu Pinsel und Farbe greifen? Der Markenbotschafter von Farrow & Ball meint dazu: «Wie bei jeder Einrichtungsmassnahme hängt es von den persönlichen Fähigkeiten als Maler oder Dekorateur ab. Die richtige Vorbereitung ist dabei das A und O, denn sie trägt dazu bei, dass die ausgeführten Arbeiten auch lange halten und Freude bereiten.» Das beginnt bereits bei der Analyse, wie viel Tageslicht ein Raum erhält und welche Möbel oder andere Elemente bereits vorhanden sind, und geht weiter zur richtigen Farbwahl. Dazu hilft es, wenn man sich genau überlegt, welches Raumgefühl entstehen soll.
Egal, wie intensiv man die Farben wählt: Die Gestaltung im monochromen Drenching-Stil wirkt durch die Verschmelzung zu einer optischen Einheit effektvoll und verblüffend und bringt definitiv ein neues Raumgefühl in die Wohnung.
«Double Drenching funktioniert am besten, wenn Farben kombiniert werden, die sich eher im Farbton als in der Intensität unterscheiden»