Tulpenfest

Zehntausende Tulpen in Morges

Tulpenfest Im Frühling herrscht im Städtchen Morges sechs Wochen lang ein einziger Farbenrausch. Tulpen in allen Farben und Formen locken Besucherinnen und Besucher an die «Fête de la tulipe».

von Alexandra von Ascheraden

Journalistin

Seit 1971 begeht die Stadt Morges im Kanton Waadt den Frühling mit der «Fête de la tulipe», dem Tulpenfest. 140 000 Tulpenzwiebeln setzen die Gärtnerinnen und Gärtner jedes Jahr Monate im Voraus. So verwandeln sich Anfang April die mehr als drei Hektaren des «Parc de l’Indépendance» in ein einziges Tulpenmeer. Die Blüten stehen dicht an dicht in den jedes Jahr neu angelegten Beeten und leuchten in allen Farben und Varietäten, die man sich nur vorstellen kann. Von Weiss über alle Rosa- , Gelb- , Rot- und Violetttöne reicht die Farbpalette bis hin zu selten zu findenden grünen und fast schwarzen Tulpenarten. In den sechs Wochen – so lange dauert die Blütenpracht – zählt das Tulpenfest im Schnitt 280 000 Besucherinnen und Besucher.

Der Park bietet durch seine Lage zwischen dem Ufer des Flusses Morges und dem Genfersee immer wieder spannende Ausblicke bis zum Mont Blanc durch die Blütenpracht hindurch. Beete in immer neuen Formen zeigen die Vielfalt der Tulpen. Es gibt gefüllte und gekräuselte Arten, solche mit ungewöhnlich grossen Blüten oder einfach in zahlreichen Varianten marmorierte. «Dieses Jahr sind die Tulpen besonders hoch geworden. Wir hatten ungewöhnlich viel Niederschlag», stellt Gärtner Laurent Sicuranza fest, während er mit aufmerksamem Blick durch die Anlage geht und prüft, ob in einem der Beete nachgebessert werden muss.

Mit Tulpen gestaltete Flaggen

Neben den Beeten, welche die Vielfalt der Tulpenblüten zeigen, gibt es dieses Jahr auch solche, die als Landesflaggen gestaltet sind. Seit einigen Jahren setzen sich die Gärtnerinnen und Gärtner eigens ein Thema. Dieses Jahr ist es «Pays du monde», die Länder der Welt. Daher kann man auf dem Rundgang immer wieder aus Tulpen gebildete Flaggen finden. Vor der japanischen Flagge mit dem charakteristischen roten Kreis der aufgehenden Sonne im Zentrum fotografiert sich prompt reihum eine fröhliche Gruppe asiatischer Touristen.

Auch ein Schweizerkreuz gibt es. Und sogar ein Beet mit geografischem Umriss der Schweiz. Etwas schwieriger umzusetzen war die Flagge Portugals. Für diese musste Sicuranza nicht nur gelbe und rote, sondern auch noch grün blühende Tulpen auftreiben. Manche der Passanten halten sie für eine Blüte, die ihre Farbe erst noch entwickeln wird. Aber das Grün bleibt.

Bei Blau wird getrickst

Zudem gibt es einige Beete, die in besonderen geometrischen Formen angelegt sind. «Gärtnerlernende sowie Lernende der Garten- und Landschaftsbauer aus dem Kanton Waadt erhalten jeweils im zweiten Lehrjahr die Aufgabe, ein Beet zu entwerfen. Aus den gut hundert Zeichnungen treffen wir eine Vorauswahl. Das Publikum wählt dann die acht Besten. Und die setzen wir für das Tulpenfest um», sagt Sicuranza. «Mittlerweile gibt es bei den Tulpenfarben eine unglaubliche Vielfalt. Nur für Blau müssen wir tricksen. Wir pflanzen ersatzweise einfach Traubenhyazinthen. Blaue Tulpen existieren noch immer nicht.» Bei einigen Beeten musste die Gärtnerequipe zu diesem Trick greifen, da in den Zeichnungen der Lernenden blaue Flächen vorgesehen waren. Die schwarzen Tulpen, die die Augen des weissen Drachens auf der Bhutan-Flagge bilden, waren dagegen im Sortiment der Lieferanten.

Nach dem Fest wird verkauft und fürs neue Jahr geplant

Während der Blühphase gehen die Gärtnerinnen und Gärtner regelmässig alle Beete ab und nehmen verblühte Blütenköpfe ab, bevor sich Samenkapseln bilden können. Dieser energieraubende Prozess würde die Tulpenzwiebeln schwächen. Das ist nicht in Sicuranzas Sinn. «Wir verkaufen direkt nach dem Fest die aus der Erde genommenen Zwiebeln sackweise an alle Interessierten, die sie gern in ihre Hausgärten pflanzen wollen. Wenn wir nicht konsequent genug die Blütenköpfe abgenommen haben, hören wir im nächsten Jahr, es sei zwar Grün aus den Zwiebeln gesprossen, aber keine Blüten.»

Ende April plant Sicuranza bereits die neuen Beete für 2025 und kalkuliert die Bestellmengen für die nächste Ausgabe des Tulpenfestes. «Ich muss spätestens Mitte Juli 140 000 Tulpenzwiebeln bestellt haben. Sonst sind manche nicht mehr zu bekommen.» Die Berechnung ist nicht ganz einfach. Alle zehn Zentimeter kommt eine Zwiebel in die Erde, und in jedem Beet sollen Varietäten zusammen gepflanzt werden, die gleichzeitig blühen und möglichst gleich hoch wachsen, damit sich ein harmonisches Gesamtbild ergibt.

120 000 der aus Holland angelieferten Zwiebeln werden jeden Herbst im Park gesetzt, die restlichen 20 000 in anderen Grünanlagen und in Pflanztrögen der Stadt. Die Zwiebeln kommen allesamt aus Holland. In der Schweiz gibt es keine Tulpenzwiebelproduzenten. «Sobald das Fest Mitte Mai vorbei ist, nehmen wir alle Zwiebeln aus dem Boden und säen Rasen an. Die Leute sollen im Sommer die Wiesen als Liegewiese nutzen können», sagt Sicuranza.

Ab September werden dann die nächsten Beete aufgezeichnet, und im Oktober kommen die Tulpenzwiebeln für das kommende Fest in den Boden. «Es ist wichtig, dass wir die Tulpen in die Erde bekommen, bevor es im November nass und regnerisch wird. Das vertragen die Zwiebeln nicht gut. Viele verpilzen und keimen dann im Frühling nicht. Die wenigen Beete, bei denen wir zu spät dran waren, zeigen ärgerliche Lücken. Den Leuten fallen sie nicht so sehr auf, mir aber schon», berichtet der Gärtner.

«Wir stecken alles per Hand. Jede Zwiebel kommt zehn Zentimeter tief in die Erde. Da weiss man am Abend, was man gemacht hat.» Er dimensioniere die Beete so, dass man beidseits bis zur Mitte pflanzen kann, ohne ins Beet zu treten. Lediglich bei den Beeten, die von den Lernenden entworfen wurden, sind die Flächen teils grösser. Dort knien sich die Pflanzenden auf Bretter, um nicht versehentlich bereits gepflanzte Zwiebeln zu verletzen.

Noch bis am 12. Mai besuchen!

Das Tulpenfest «Fête de la tulipe» dauert noch bis zum 12. Mai. Der Zugang zum Park ist gratis. Er ist rund um die Uhr geöffnet. Weitere Infos unter: morges-tourisme.ch

 

Einen Insidertipp haben wir auch noch: Wer am Dienstag, 14. Mai, vor Ort ist, kann die ausgegrabenen Tulpenzwiebeln kaufen. «Der Andrang ist gross, so dass wir den Verkauf nun auf zwei Säcke pro Person beschränken mussten», sagt Laurent Sicuranza. «Es hat etwa 40 bunt gemischte Zwiebeln im Sack. Die Säcke verkaufen wir gegen eine Spende von 10 Franken.» Das Geld kommt der Vereinigung «Morges Fleur du Léman» zugute, die aus freiwilligen Helfern besteht. Sie organisiert jeweils das Tulpenfest und später im Jahr das Dahlienfest.

Dahlienfestival im Hochsommer und Herbst

Neben dem Tulpenfest gibt es in Morges noch das Dahlienfestival «la fête du dahlia». Etwa 1800 Knollen pflanzen die Gärtner dafür jedes Jahr. Unter den über 70 verschiedenen Arten finden selbst Kenner noch ihnen unbekannte Varianten. Seit 1996 werden ab April neue Knollen gesetzt. Die Dahlien blühen zwischen Juli und Ende Oktober in allen denkbaren Farben am Quai Igor Stravinsky entlang des Genfersees.

 

Und wer sich welche davon nach Hause holen will, sollte dieses Jahr am 4. oder 5. November nochmals in Morges vorbeischauen. Denn immer am ersten Novemberwochenende werden die diesjährigen Knollen ausgegraben, und auch diese werden nach dem Wundertütenprinzip sackweise an die Bevölkerung verkauft. Weitere Infos zum Dahlienfestival: fetedudahlia.ch